Samstag, 6. Dezember 2008

Der künstlich angelegte Nickelsee als geheimnisvoller Wasserschlucker: eine kleine Umweltdetektivgeschichte...

Kleine Ursachen, große Wirkung...: seit einiger Zeit sind wir der Frage auf der Spur, wieso ein Graben im Süden der Neustadter Gemarkung östlich der Autobahn besonders wenig Wasser führt. Der Graben wechselt mehrfach seinen Namen, östlich der Autobahn heißt er z.B. Saualiment-Graben. Sein Ursprung liegt im Klausental, er fließt dann durch die Gemarkungen Diedesfeld und Lachen-Speyerdorf um schließlich über das Hörstengrabensystem (Geinsheim) bzw. den Altbach kurz vor dem Hanhofer Wassergescheid ein Teil des Speyerbaches zu werden.

Zwischen Nickelsee und dem Südrand von Lachen liegen einige Tümpel bzw. Flutmulden, die in besonderer Weise von diesem Grabensystem abhängig sind (dort liegen auch zwei Grundstücke des NABU). Doch seit etlichen Jahren fällt dort zunehmend alles trocken, über die Ursachen wurde viel gerätselt. Heute, am 6.12.2008, wurde dieses Rätsel jedoch komplett gelöst. Im Folgenden sollen die drei Hauptursachen kurz vorgestellt werden.


Klickbild oben: betroffen ist hauptsächlich der Grabenabschnitt zwischen der A 65 und Lachen.

Drei Hauptursachen für die drastische Austrocknung des Saualiment-Grabens

1. Eine verstopfte Hochwasser-Drosselstrecke am Nickelsee (siehe "Punkt 1" auf nachfolgendem Bild)

Im Rahmen der Flurbereinigung wurde ca. 1983 der Nickelsee (Gemarkung Kirrweiler) als rein grundwassergespeistes Gewässer künstlich angelegt. Der Saualimentgraben fließt am Nordwestrand des Nickelsees durch eine sog. Drosselstrecke. Dort wird im Falle eines Hochwassers der Wasserdurchfluss durch ein ca. 6 Meter langes Rohr (Durchmesser ca. 30 cm) reguliert, das überschüssige Wasser fließt über eine Betonrampe in den Nickelsee ab.

Diesen Sommer stellten wir fest, dass diese Drosselstrecke total verstopft ist. Und das wohl schon sehr lange. Die Folge sind für das Grabensystem fatal: alles Wasser fließt in den Nickelsee, auch bei normaler Wasserführung. Unterhaltspflichtig ist ein ortsansässiger Fischereiverein, der den See gepachet hat. Diese Info erhielten wir nach dem Ortstermin von Behördenvertretern. Daraufhin wurde die schon längst überfällige Reinigung der Drosselstrecke veranlasst, die Maßnahme wurde durch den Unterhaltspflichtigen im vorgesehenen Zeitrahmen ordnungsgemäß durchgeführt.

2. Zu hohes Niveau der Grabensohle hinter der Drosselstrecke ("Punkt 1", siehe Bild)

Leider stellten wir danach fest, dass das Wasser weiterhin bevorzugt in den Nickelsee fließt, da die Grabensohle unmittelbar hinter der Drosselstrecke kräftig ansteigt und dadurch einen Rückstau verursacht. Wir haben die Verbandsgemeinde Maikammer mehrmals auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Es wurde uns zugesichert, die Grabensohle zu räumen.

Klickbild oben: die zu hohe Grabensohle hinter der (mittlerweile gereinigten) Drosselstrecke bewirkt einen Rückstau und das Überfließen in den Nickelsee auch ohne Hochwassersituation.

3. Ein geheimnisvolles Rohr ca. 100 Meter hinter der Drosselstrecke schluckt das komplette Restwasser des Grabens ("Punkt 2" auf Übersichtsbild oben) 

Heute Abend machten wir eine hochinteressante Entdeckung: ca. 100 Meter östlich der Drosselstrecke verschwindet das komplette Restwasser in einem Rohr (125 mm Durchmesser). Und wo taucht dieses Wasser wieder auf? Es plätschert durch den Nickelsee-Überlauf (!!) in den Nickelsee. Nach dieser Stelle ist der Graben vollkommen trocken!   

Klickbild oben: hier verschwindet das Restwasser des Saualimentgrabens in einem Rohr, um ca. 20 Meter weiter im Nickelsee-Überlauf (!!) munter in den See zu plätschern!!


Klickbild oben: ein Bild des "verdächtigen" Rohres bei besseren Lichtverhältnissen (7.12.2008)

Klickbilder oben und unten: hier fließt das komplette Restwasser des Saualimentgrabens in den Nickelsee. Fotos vom 6.12.2008.


Der erste Eindruck: dieses Rohr wurde mit Gefälle vom Graben in Richtung Nickelsee verlegt, dabei müsste das Gefälle genau anders herum sein! 

Das bedauerliche Resultat: ein durch menschlichen Einfluss nahezu dauerhaft trocken gefallenes Grabensystem!

Zusammenfassung: 

Der Nickelsee wurde als rein Grundwasser gespeistes Gewässer geplant und angelegt. Eine direkte Verbindung zwischen dem Grabensystem war nie vorgesehen. Nur im Falle eines Hochwassers sollte Wasser in den Nickelsee fließen, dafür gab es nach unseren Informationen ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren o.ä.. Da die Drosselstrecke vom Pächter allerdings nicht ordnungsgemäß gereinigt wurde und darüber hinaus der Grabenabschnitt hinter der Drosselstrecke viel zu hoch liegt, fließt offensichtlich schon seit vielen Jahren nahezu 100% des Wasser in den Nickelsee. Der See hat nach eigenen Berechnungen eine Fläche von ca. 7500 m². Zur Zeit befindet sich der Wasserspiegel ca. 1,50 Meter unterhalb des Überlaufs, er könnte also ca. 10.000 m³ fassen. Bei einer aktuellen Wasserführung des Grabens von ca. 1 Liter/sec (nach den Regenfällen der verg. Tage) würde es ca. stramme 120 Tage dauern, bis via Überlauf wieder ein einziger Tropfen Wasser in das Grabensystem gelangen könnte!

Kurze Diskussion und Fazit

Auf der einen Seite ist es ökologisch und hydrologisch vorteilhaft, wenn das Wasser unserer Grabensysteme nicht zu schnell abfließt. Wenn allerdings fast ganzjährig das komplette Wasservolumen eines Grabensystems für die Speisung eines einzigen künstlichen Sees abgezweigt wird und dadurch die weiter unterhalb liegenden Ökosysteme durch Austrockung gravierend und nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen werden (u.a. wertvolle Amphibienlaichgewässer), dann ist dieser Zustand "stark suboptimal"...

Wir werden den Fall mit Aufmerksamkeit verfolgen und die zuständigen Behörden bzw. Gewässerunterhaltspflichtigen von dem aktuellen Zustand in Kenntnis setzen. 

Dieser Fall zeigt, dass nicht jedes Austrocknen von Grabensystemen etc. dem viel zitierten Klimawandel geschuldet ist. Zweifellos liegen hier langfristig aber wohl die größten Risiken: jahreszeitliche Verlagerung der Niederschläge (entgegen der landläufigen Meinung hat unsere Region bislang wohl keinen signifikanten Rückgang der Gesamtjahresniederschlagsmenge zu verzeichnen, sondern vielmehr eine Umverteilung in Richtung mehr Regen im Winterhalbjahr und weniger im Sommer), steigende Durchschnittstemperaturen führen zu weniger Schnee (dadurch weniger Schmelzwasser im Frühjahr) und höherem Wasserverbrauch der Vegetation usw. Eine Folge dieses hochkomplexen Geschehens sind auch die z.T. drastisch sinkenden Pegel des oberflächennahen Grundwassers!

==> interaktive Übersichtskarte

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